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Interview PROvendis

Innovationskraft durch Forschung

Die PROvendis GmbH hat mit Prof. Dr. A. Erman Tekkaya ein Interview über Herausforderungen im Technologietransfer geführt. Ein Hauptpunkt war, wie wichtig wissenschaftliche Erkenntnisse für den Fortschritt in der Fertigungstechnik sind.

Das Institut für Umformtechnik und Leichtbau (IUL) an der Technischen Universität Dortmund zählt zu einem der international renommiertesten und größten Institute seines Faches. Seit über 50 Jahren widmen sich die Mitarbeitenden des Instituts sowohl der Grundlagenforschung als auch der Entwicklung neuer Technologien für industrielle Produkte oder Verfahren. Prof. Dr. A. Erman Tekkaya leitete das IUL von 2007 bis 2024 mit dem Selbstverständnis, technologischer Vorreiter für industrielle Unternehmen zu sein. 
Der Forscher bereicherte das IUL mit 69 Erfindungsmeldungen und 10 erteilten Patenten, warb mit seinem Team Fördermittel in Höhe von 70 Millionen Euro ein, betreute rund 80 Dissertationen, publizierte mehr als 350 internationale Zeitschriftenartikel und engagierte sich mit nationalen und internationalen Kooperationen für den Technologietransfer. Dies stärkt die Innovationskraft des Instituts bis heute: Prof. Tekkayas Bewusstsein für erfinderische Tätigkeit lebt fort am IUL, aktuell zählt das Institut 39 laufende Patentverfahren, davon sind bereits 16 Patente erteilt. 

Bei der Patentierung und Vermarktung seiner Erfindungen hat Prof. Tekkaya die Unterstützung von PROvendis, zentraler Dienstleister des Verbunds innovation2business.nrw, in Anspruch genommen. Im Interview spricht der Forscher über Herausforderungen im Technologietransfer und darüber, wie wichtig wissenschaftliche Erkenntnisse für den Fortschritt in der Fertigungstechnik sind. 

Was war Ihre persönliche Motivation, den Technologietransfer am IUL so konsequent zu verankern?

Prof. Tekkaya: Als Forscher auf dem Gebiet der Fertigungstechnologie, speziell in der Umformtechnik, macht es mir sehr viel Spaß, die physikalischen Grundlagen dieser komplizierten hoch-nichtlinearen Prozesse zu erforschen. Allerdings ist nach meiner Auffassung der Sinn der Grundlagenforschung in der Fertigungstechnik nur gegeben, wenn sie auch den Fortschritt der Technologie ermöglicht. Daher war mein Bestreben immer, mit diesen erforschten Grundlagen neue Technologien zu entwickeln. Grundlagenforschung in der Fertigungstechnik ohne technologischen Gewinn ist genauso unvollkommen wie eine Technologieentwicklung ohne wissenschaftliches Verständnis. Dies ist der Hintergrund meiner starken Patent-Aktivität und den Bemühungen, Technologietransfer zu verwirklichen. Wie die wissenschaftlichen Veröffentlichungen unseren Anspruch auf die erarbeiteten Grundlagenerkenntnisse sichern, sichern Patente unsere Ansprüche auf unsere technologischen Erfindungen. Dies haben wir am IUL konsequent durchgeführt. Bitte lassen Sie mir hier noch eine persönliche Anmerkung erlauben: Eine wissenschaftliche Erkenntnis, die sich in einem industriellen Produkt oder Verfahren wiederfindet, ist für mich die größte Genugtuung, und ich hoffe, dass ich dies meinem Team am IUL und meinen Studierenden auch vermitteln konnte.

Gab es ein konkretes Projekt, das für Sie den Stein ins Rollen gebracht hat?

Prof. Tekkaya: „Das“ Patent oder „die“ Erfindung gibt es in meinem Fall nicht. Der Stein ist ins Rollen gekommen durch eine sich über mehrere Jahre erstreckende Beobachtung. Sowohl in Deutschland als auch in der Türkei, wo ich über 25 Jahre tätig war, und danach auch in den USA, konnte ich wahrnehmen, dass Firmen, die aufhören, wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Technologieentwicklung zu nutzen, über kurz oder lang ihre technologische Führungsposition verlieren. Dies habe ich beispielsweise bei führenden Schmiede-Unternehmen in Deutschland und den USA beobachten können, aber auch bei mehreren Hidden Champions in verschiedenen Ländern. Diese Entwicklung ist natürlich sehr stark wirtschaftlich bedingt. Die hohen Kosten für die Anwendung und Umsetzung wissenschaftlicher Kenntnisse können viele mittelständische Unternehmen (und leider jetzt auch öfter größere Unternehmen) nicht tragen. Aus diesen Gründen habe ich meine Aufgabe darin gesehen, technologischer Vorreiter für die industriellen Unternehmen zu sein und technologische Ideen zu entwickeln, die das eine oder andere Unternehmen nutzen könnte, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.  

Wie sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden für das Thema geistiges Eigentum? 

Prof. Tekkaya: Das Centrum für Entrepreneurship & Transfer der TU Dortmund hat viele Beratungs- und Seminarangebote zum Thema geistiges Eigentum und ein starkes Team. Teilweise sind diese Themen auch in den Vorlesungen einbezogen. Wichtig ist aber im direkten Austausch mit den Mitarbeitenden aufzuklären, welches Wissen und welche Leistungen als geistiges Eigentum wahrzunehmen sind und, schließlich, – was die Grundlage für alle Handlungen sein sollte – wie geistiges Eigentum respektiert werden muss. Dies beginnt schon beim Verfassen der ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung. Oft musste ich klar machen, dass Zitate zu anderen Arbeiten nicht auf persönlichen oder nationalen Kriterien basieren dürfen, sondern nur, und nur, auf dem Eigentum der Person, die die Erkenntnisse zum ersten Mal veröffentlicht hat. Ich bin auch sehr stolz auf meine Mitarbeitenden, die die Bedeutung der Patente stark verinnerlicht haben und jede technologische Entwicklung aus einer Patentierbarkeit betrachtet haben.

Einige Ihrer Patente wurden erfolgreich an Partner übertragen. Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem der Transfer besonders gut gelungen ist?

Prof. Tekkaya: Ein Beispiel für einen gelungenen Transfer ist die inkrementelle Biegetechnologie. Diese Technologie wurde rein auf wissenschaftlicher Basis nach dem Prinzip der Spannungsüberlagerung entwickelt und erlaubt uns, die Biegekräfte um einen Faktor von mehr als 20 zu reduzieren. Damit können wir hochfeste Profile mit sehr geringen Kräften biegen und damit auch die Rückfederung reduzieren. Diese Erfindung hat ein sauerländisches Unternehmen überzeugt, sodass sie die Maschine in ihre Produktfamilie aufgenommen haben. Ich hätte mir gewünscht, dass wesentlich mehr Patente an Partner übertragen hätten werden können. Aber dies ist auch Teil der Erfindungsaktivität, dass neben technologischer Raffinesse auch die Wirtschaftlichkeit und, leider auch, die technologische Trägheit von Unternehmen eine wichtige Rolle für die endgültige Anwendbarkeit spielen.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen beim Übergang von der Erfindung zur wirtschaftlichen Verwertung?

Prof. Tekkaya: Dies ist eine schwierige Frage. Ich denke, es hängt davon ab, wie die Erfindung entstanden ist. Wenn die Erfindung aufgrund eines akuten konkreten Bedarfs eines Unternehmens entstanden ist, dann ist der Übergang zur wirtschaftlichen Verwertung sehr schnell und reibungslos. Hierzu kann ich mich an ein mittelständisches Unternehmen aus unserer Region erinnern, welches erhebliche Schwierigkeiten mit der Bearbeitung der neuen hochfesten Stähle hatte und für die wir ein Verfahren vorgeschlagen haben, diese Kräfte erheblich zu reduzieren. Innerhalb weniger Wochen hat die Umsetzung stattgefunden. Anders sieht es aus, wenn die Erfindung aufgrund unserer wissenschaftlichen Kuriosität zustande kommt. Da in einem industriellen Unternehmen wenig Zeit (und Geld) für „out-of-the-box“-Entwicklungen ist, habe ich immer viel Wert daraufgelegt, als Vordenker der Industrie zu dienen und somit auch Ideen zu präsentieren, die nicht aus akuten Bedarfen resultieren. In solchen Fällen ist leider die Innovationsträgheit, vor allem etablierter Unternehmen, das größte Hindernis für die Umsetzung. Allerdings, nach einer gewissen Zeit, finden die meisten Ideen dann doch ihren Einzug in der einen oder anderen Form.  Dies haben wir beispielweise mit den Späne-Strangpressen, mit dem ebenen Torsionsversuch und jetzt auch mit der Schädigung in der Umformung erlebt. Je ausgefallener die Idee ist, desto schwerer tun sich die deutschen Unternehmen mit der Einführung dieser neuen Entwicklungen. Unternehmen aus den USA oder aus Asien haben hier einen wesentlich niedrigeren Widerstand für die Einführung neuer Ideen. Ich wünsche mir sehr, dass wir diese Innovationsträgheit in Deutschland (oder auch in anderen europäischen Ländern) in naher Zukunft überwinden können.


Zur schutzrechtlichen Sicherung und Vermarktung Ihrer Erfindungen arbeiten Sie seit vielen Jahren mit PROvendis zusammen. Welche Unterstützung haben Sie durch PROvendis erfahren?

Prof. Tekkaya: PROvendis war und ist für uns ein Partner, auf den wir nicht verzichten können und möchten. Als Erfinder hat man immer einen eingeschränkten Blick zur Bedeutung der Erfindung bzw. der Erfindungsreife. Mit fachkundigen und sehr erfahrenen Experten von PROvendis haben unsere Erfindungen stets richtig einordnen können. Aber auch bei der Suche nach Firmen, die das Patent umsetzen können, war PROvendis für uns immer eine sehr große Unterstützung. Auch bei der Weiterbildung unserer Mitarbeitenden haben wir Hilfe von PROvendis erhalten. Daher bin ich PROvendis sehr dankbar für diese jahrelange unerschöpfliche Unterstützung und Betreuung!