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AUSTAUSCH ZU WICHTIGEN ZUKUNFTSFRAGEN

7. Zukunftsdialog widmet sich Herausforderungen der Energiewende

© Oliver Schaper | TU Dortmund
Dr. Hendrik Neumann, CTO der Amprion GmbH, sprach über die Gestaltung eines klimaneutralen Energiesystems.
Am 29. Januar war TU-Alumnus und Chief Technical Officer (CTO) Dr. Hendrik Neumann von der Amprion GmbH, einem der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland, zu Gast an der TU Dortmund. Er sprach über die Herausforderungen der Energiewende und darüber, wie der Betreiber das Stromnetz für ein klimaneutrales Energiesystem vorbereiten möchte. Der Zukunftsdialog bietet Unternehmen aus der Region die Möglichkeit, aktuelle Zukunftsfragen aus ihrer Perspektive im Kontext der Universität zu beleuchten und in einen inhaltlichen Austausch mit Studierenden, Wissen­schaft­ler*innen und Beschäftigten der TU Dortmund zu treten. Das Centrum für Entrepreneurship & Transfer (CET) organisiert die Veranstaltungsreihe.

Die Amprion GmbH mit Hauptsitz in Dortmund betreibt rund 11.000 Leitungskilometer, die als Teil des europäischen und deutschen Verbundnetzes in einem Gebiet von der Nordsee bis zu den Alpen Höchstspannungsstrom transportieren. Anschaulich schilderte Dr. Hendrik Neumann, wie sich das Energiesystem auf dem Weg zur Klimaneutralität verändert: „Der Stromverbrauch von derzeit rund 510 Terrawattstunden wird sich bis 2045 mehr als verdoppeln. Gleichzeitig haben wir immer mehr Einspeisungen aus erneuerbaren Energiequellen, während der Anteil konventioneller Kraftwerke zurückgeht. Dabei stellen die wetterabhängigen Schwankungen das Stromnetz vor große Herausforderungen, um die Systemstabilität aufrechtzuerhalten.“ Zudem vergrößere sich die räumliche Distanz, denn der Strom werde nicht vor Ort produziert, wo er benötigt werde, sondern dort, wo viel Sonne scheint oder der Wind stark weht.

Sektorübergreifende Aufgabe

Um dem Wandel des Energiesystems gerecht zu werden, will Amprion in den nächsten fünf Jahren rund 27,5 Milliarden Euro investieren, um das Netz sowohl an Land als auch auf hoher See mit zusätzlichen rund 6.800 Leitungskilometern auszubauen und zu verstärken. „Für ein Energiesystem, das auf erneuerbaren Quellen basiert, ist ein erheblicher Infrastrukturausbau nötig. Die installierte Leistung aus Erneuerbaren Energien muss aufgrund der wetterabhängigen Einspeisung deutlich höher sein, als bei konventioneller Stromerzeugung“, erklärte Dr. Neumann, der 2007 am Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der TU Dortmund promoviert wurde.

Um flexibel auf wetterbedingte Lücken reagieren und Überschüsse effizient nutzen zu können, spielten der Zuwachs großer und kleiner Batteriekapazitäten sowie der Ausbau der Wasserstoffproduktion als Energieträger eine wichtige Rolle. So könnten Elektrolyseure überschüssige Energie, die sonst nicht verwendet würde oder nicht transportiert werden kann, umwandeln: Saisonale Wasserstoffspeicher könnten beispielsweise das Winterdefizit von Photovoltaikanlagen ausgleichen, die wiederum im Sommer einen Überschuss produzieren. Der Amprion-CTO sprach sich daher dafür aus, das Stromnetz nicht mehr isoliert, sondern das Energiesystem sektorübergreifend zu betrachten.

Innovationspotenzial aus der Wissenschaft

Als eine große Herausforderung nannte Dr. Neumann, dass Investitionen von rund 600 Milliarden Euro notwendig seien, allein um das Übertragungs- und das Verteilernetz entsprechend auszubauen. Unter den aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen bestünden jedoch zu wenig Anreize für Investoren, in die Netze zu investieren. Auch das Regulierungssystem müsse für das hohe Wachstum und die hohe Dynamik angepasst werden.

Zunehmend komplexere Technik mache es zudem notwendig, neues Know-how aufzubauen. Daher sprach Dr. Hendrik Neumann im Rahmen des Zukunftsdialogs auch darüber, wie Amprion in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft innovative Lösungen entwickeln und ausbauen möchte. Mithilfe von Drohneneinsätzen kann das Unternehmen beispielsweise Anlagen in schwer zugänglichen Gebieten mit deutlich geringerem Aufwand erreichen und auf Wärmebildaufnahmen Schwachstellen an Freileitungen erkennen. Das Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft (ie3) hat von 2018 bis 2021 gemeinsam mit Amprion und weiteren Partnern im Verbundprojekt InnoSys 2030 erforscht, wie das Stromnetz durch neue Systemführungsstrategien höher ausgelastet werden kann. „Ein weiteres Thema, an dem wir gerne gemeinsam mit der Wissenschaft arbeiten möchten, ist die Nutzung von KI in unseren Prozessen“, erzählte Dr. Neumann, der seit 2023 auch im Hochschulrat der TU Dortmund tätig ist.

Im Anschluss an seinen Vortrag nutzten die zahlreichen Gäste die Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen. Die Veranstaltung sowie ein anschließender Austausch bei Essen und Getränken fand in den neuen Räumlichkeiten des CET im Pavillon 2a am Campus Süd statt. Dabei konnten sich Interessierte auch über die Angebote der CET-Prototypenwerkstatt „MakerSpace“ informieren. Der nächste Zukunftsdialog wird am 23. April stattfinden.